Seit Ende 2019 ist SoNaTe als Nachbarschaftsplattform im Berliner Ortsteil Bohnsdorf, Bezirk Treptow-Köpenick, im Test. Wie läuft es dort? Darüber und über Nachbarschaftshilfe in Bohnsdorf im Corona-Ausnahmezustand sprechen wir mit Bastian Ignaszewski, der im Dorf vielfältig engagiert ist.

Bastian Ignaszewski
Vorsitzender des Vereins der Feuerwehr- und Siedlerfreunde e.V. in Bohnsdorf, Gebietskoordinator im Rathaus Köpenick.
Bastian, seit wann wohnst du in Bohnsdorf?
Ich wohne seit Kindheitstagen in Bohnsdorf, bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und kenne fast jeden Baum mit Namen.
Was verbindet dich mit dem Ort und den Menschen in Bohnsdorf?
Ich bin hier gerne zu Hause. Bohnsdorf liegt am südlichen Stadtrand von Berlin, ist eher ländlich geprägt. Man ist schnell in der Stadt, ohne den Großstadttrubel vor der Haustür zu haben. Gleichzeit ist man auf kürzestem Weg in Brandenburg mit weiten Wasser- und Waldflächen. Es ist eine ideale Mischung für Arbeit und Erholung.
Welche Rolle und Aufgaben hast du im Ort?
Ich war 25 Jahre aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, davon 10 Jahre als Leiter. Derzeit bin ich Vorsitzender des Vereins der Feuerwehr- und Siedlerfreunde e.V. Ein Verein mit über 100 Mitgliedern, der sich aktiv ins Bohnsdorfer Leben einbringt. Nach Kirchengemeinden und Sportvereinen sind wir die größte Vereinigung im Ort, die sich um die Belange der Ortsteilentwicklung kümmert. Wir organisieren das jährliche Straßenfest mit immer ca. 5.000 Besuchern mit, wir veranstalten Nachbarschaftstreffen und sind selbstverständlich im Netzwerk Bohnsdorf sehr aktiv.
Wie war Nachbarschaftshilfe vor Corona in Bohnsdorf etabliert?
Es gab schon immer eine „dörfliche“ Nachbarschaftskultur. Im Zuge der wachsenden Stadt hat sich aber vieles geändert: Neue Wohngebiete sind entstanden, freie Flächen wurden mit Wohnhäusern bebaut. Dadurch hat sich auch die Nachbarschaftskultur verändert. Man kannte sich nicht mehr so gut, das „Aufeinander-zugehen“ funktionierte immer weniger und wurde auch nicht befördert. Nachbarschaftshilfen beschränkten sich auf Mikro-Nachbarschaften im engeren Wohnumfeld. Vor ein paar Jahren haben einige Bohnsdorfer versucht, etwas gegen diese steigende Anonymität zu tun. Es wurde ein „Netzwerk Bohnsdorf“ gegründet, Nachbarschaftskonferenzen abgehalten und ein jährliches zentrales Straßenfest etabliert. Damit konnte ein gutes Stück Zusammenhalt geschaffen werden. Die Netzwerktreffen sind immer gut besucht und es werden großartige Ideen und Projekte entwickelt und realisiert.
Beim zweitägigen Stromausfall 2019 war es interessant zu beobachten, dass sich spontan kleine, Hilfsnetzwerke entwickelt haben. Da hat man ganz deutlich gesehen, welches Potenzial und welcher positive Wille hier vorhanden sind.

Bohnsdorf
Die Bezirksregion Bohnsdorf liegt im Südwesten des Bezirks Treptow-Köpenick und grenzt an den Landkreis Dahme-Spreewald des Landes Brandenburg. Der Ortsteil zählt 13.103 Einwohner (12/2019), die Gebietsgröße beträgt 6,6 km².
Was hat sich mit Corona für die Nachbarschaftshilfe geändert?
Es hat sich gezeigt, dass es eine große Hilfsbereitschaft der Bewohnerschaft gibt. Viele Menschen haben sich bereit erklärt, Hilfe zu leisten – in ganz unterschiedlichen Formen.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen mehr aufeinander Acht geben und es mehr Rücksichtnahme gibt. Das ist aber nur mein subjektiver Eindruck.
Seit März verwendet Bohnsdorf über die Webseite mein-bohnsdorf.de eine neue Hilfe-Plattform, was kann die und wie es dazu gekommen?
Das war die Idee unseres Vereins und der SPK* des Bezirksamts Treptow-Köpenick, die wir dann in kürzester Zeit, also innerhalb von zwei bis drei Tagen realisiert haben.
Auf der Plattform können Hilfsangebote und Hilfegesuche eingestellt und dann „gematcht“ werden. Innerhalb von wenigen Tagen gab es schon 50 Menschen, die Hilfe angeboten haben. Das reichte vom Gassi gehen über die Erledigung kleiner Einkäufe bis zu individuelle Gesprächsangeboten. Hilfesuchende können eigene Bedarf eintragen, oder sich ein passendes Hilfsangebot per Mausklick aussuchen. Hilfesteller und Hilfebedürftiger kommen so ohne Umweg direkt in Kontakt miteinander.
Für Offliner wurde zusätzlich eine Telefonhotline geschaltet. Hilfegesuche wurden dann telefonisch von Freiwilligen entgegengenommen und auf der Plattform vermittelt.
*SPK = Sozialraumorientierte Planungskoordination
Wem nützt die neue Online-Plattform?
Eigentlich allen! Leute können miteinander in Kontakt treten, die Behörden können Informationen liefern und online diskutieren. Vereine haben die Möglichkeit eigene, geschützte digitale Räume für Internes einrichten ohne eigene aufwändige Systeme betreiben zu müssen. Es nutzt aber besonders denen, die kein Vertrauen in andere soziale Netzwerke haben, weil hier keine Nutzungsdaten und kein Tracking passiert. Das ist für mich ein überzeugender Fakt.
Wer und was steckt als Betreiber dahinter?
Zur Zeit sind wir als Verein in Kooperation mit der Regionalkoordination des Bezirksamts Treptow-Köpenick die treibenden Kräfte. Nachdem wir aus dem Stand die Technik für das Helfernetzwerk eingerichtet haben, wollen wir jetzt noch weitere lokale Initiativen, Organisationen und Institutionen als Mitstreiter gewinnen.
Helfen und sich helfen lassen sind Vertrauenssache. Welche Erfahrung macht Ihr damit, dass persönliche Daten abgefragt und an andere übergeben werden?
Bisher gab es hier keine negative Resonanz. Die Plattform bietet ja auch an, insbesondere beim Hilfsnetzwerk*, solange anonym zu bleiben bis ein direkter Kontakt zwischen Hilfesuchendem und Hilfegebenden hergestellt wird.
Die meisten haben sich aber dafür entschieden, sich persönlich mit Namensnennung erkennen zu geben. Es sind also die Namen zu sehen. E-Mailadressen und Telefonnummern bleiben solange verborgen, bis der Kontakt steht. Das wird positiv aufgenommen.
*https://bohnsdorf.berlin.sonate.jetzt/offen/gemeinschaft/bohnsdorf
Wie ist die Akzeptanz und Wirkung der Plattform, kannst du Zahlen nennen?
In etwa zwei Wochen hatten wir 75 Freiwillige, die ihre Hilfe angeboten haben. Das finde ich beachtlich, da die Plattform ja komplett neu ist und vor zwei Monaten noch gar nicht exisitiert hat. Über Flyer und unsere Netzwerke im Ort haben wir mein-bohnsdorf.de und SoNaTe bekannt gemacht. Die Jugendfeuerwehr und andere Helfer haben fast flächendeckend Infozettel in die Bohnsdorfer Briefkästen gesteckt. Wir haben auch Schaukästen und schwarze Bretter genutzt.
Auf der lokalen SoNaTe-Plattform von Bohnsdorf* wurden neben dem Helfernetzwerk bereits weitere Orts-Gruppen angelegt, die online aber noch nicht besonders aktiv sind. Hier wollen wir noch sichtbarer werden.
* https://bohnsdorf.berlin.sonate.jetzt
Gibt es eine Geschichte zur Nachbarschaftshilfe, die dich besonders berührt hat?
Ich erinnere mich an einen Herren, dem geholfen wurde und der sich zu Ostern bei seinem Unterstützer bedanken wollte. Da beide aber ihre Kontaktdaten nicht wiedergefunden haben, wollte der Herr über SoNaTe seinen Helfer kontaktieren.
Das ging natürlich nicht, weil Telefonnummern und E-Mails nicht ohne weiteres eingesehen werden können. Dadurch, dass sich der Herr aber an den Namen erinnern konnte haben wie den Helfer analog ausfindig gemacht – man kennt sich ja im Dorf.
Das Helfenden-Netzwerk ist Teil der neuen Nachbarschafts-Plattform mit dem Namen SoNaTe, wie hängt dies beides zusammen?
Mit dem Helfernetzwerk hat es angefangen, da wir eine Plattform gesucht haben, die ausdrücklich nicht kommerziell arbeitet. Die Idee für einen „Digitalen Marktplatz“ für Bohnsdorf hatten wir schon lange. Das wurde auch in Veranstaltungen mit den Bewohnern diskutiert und gewünscht. Wir haben mit dem Beginn von Corona also aus der Not eine Tugend gemacht – und einfach angefangen. Damit ist natürlich noch vieles unfertig, aber wir haben etwas mit dem wir weitermachen können.
Warum ist die Nutzung von SoNaTe für eine Bohnsdorferin, einen Bohnsdorfer interessant?
SoNaTe kann -und soll- den Kontakt zwischen Menschen fördern und neue Möglichkeiten dafür bieten. Ohne den persönlichen Kontakt zu nicht ersetzen. Das ist immer das Wichtigste: miteinander im Gespräch zu bleiben, sich zu treffen.
SoNaTe kann eine Informationsplattform sein, rund um das Geschehen im Dorf. Veranstaltungen, politische Diskussionen oder auch ein Marktplatz können hier online veröffentlicht werden. Wer nicht zu Versammlungen, Nachbarschaftstreffen o. ä. kommen kann, wird hier eine Möglichkeit der Mitsprache zur Verfügung gestellt.
Es gibt hier einen großen Lokalpatriotismus, diesen kann man in SoNaTe bündeln und für gemeinsame Ideen und konkrete Maßnahmen nutzen.
Kostet die Nutzung Geld?
Bis jetzt werden die Kosten für Technik und Moderation aus verschiedenen Fördermitteln bestritten. Daher ist die Nutzung für die Bohnsdorferinnen und Bohnsdorfer noch kostenfrei. Wie sich das entwickelt, wird sich zeigen.
Wenn du einen Wunsch für die Bohnsdorfer Nachbarschaftshilfe frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Wir brauchen neben digitalen Angeboten auch einen echten, für alle offenen Treffpunkt. Wir haben soziale Infrastruktur, die aber in der Regel zielgruppenorientiert arbeitet, also bspw. für Kinder oder Senioren. Ein neuer Nachbarschaftstreff fehlt hier, aber auch da sind wir schon dran.
Welche realistischen Chancen siehst du für die Nachbarschaftshilfe in den nächsten 12 Monaten?
Ich stelle mir eine funktionierende digitale Nachbarschaftsplattform vor, wo man auf einer Umgebungskarte die vielfältigen Aktivitäten in Bohnsdorf entdeckt, Vereine und Organisationen intern und nach außen kommunizieren und einen Veranstaltungskalender für alle Events im Dorf. Eine Plattform, die mit vielen nützlichen Inhalten gefüllt ist und das analoge Zusammenkommen stabilisiert und verbessert.
Bastian, herzlichen Dank für das Interview.

SoNaTe steht für Soziale Nachbarschaft und Technik. Lokal, inspirierend und vertrauensvoll! Das soziale Netzwerk, das mir gehört.
www.sonate.jetzt
Fotonachweis: Philipp Messinger (MessingerDesign), https://philipp-messinger.com
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